ECKEHART EHRENBERG
Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung
Friedrichshain von Berlin



M i t t e i l u n g  f ü r  d i e P r e s s e


SPD-Verordneter verläßt Partei nach 28 Jahren:

Schluß mit lustig

Dr. Eckehart Ehrenberg (Friedrichshain) mit Erklärung vom Aschermittwoch aus der SPD ausgetreten - wechselt am 1. März zur DLL - nicht nur Berliner Querelen

Berlin, 28.2.1998 - Der Bezirksverordnete und Vorsitzende der Abteilung 2 der SPD Friedrichshain, Dr. Eckehart Ehrenberg, hat am vergangenen Aschermittwoch dem Berliner Landesvorstand der SPD brieflich mitgeteilt, daß er mit Wirkung vom 1. März 1998 alle seine Parteiämter niederlegt und aus der SPD austritt.

Insidern war seit längerem bekannt, daß es zwischen Ehrenberg und der SPD-Fraktion erhebliche Spannungen gab. Dies trifft mindestens ebenso für das Verhältnis zwischen ihm und Bürgermeister Helios Mendiburu (SPD) zu, den Ehrenberg inzwischen für einen mißtrauischen Intriganten und ein politisches Leichtgewicht hält.

Berliner Bezirksquerelen

Ehrenberg, der baupolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und auch Mitglied des SPD-Kreisvorstands war, führte im vergangenen Herbst einen Kreisvorstandsbeschluß herbei, der die SPD-Fraktion wider Willen dazu veranlaßte, den Vorsitz im wichtigen Bauauschuß der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zu beanspruchen. Vorsitzender des Ausschusses, der insbesondere die Kontrolle über das Wirken der umstrittenen Baustadträtin Martina Albinus-Kloss (Mandat der PDS) ausübt, wurde dann jedoch ein anderer SPD-Bezirksverordneter. Ehrenberg wurde von den Fraktionskollegen/-innen vorgeworfen, sich doch nur gegen die Baustadträtin profilieren zu wollen, anstatt "Sachpolitik" zu betreiben.

Im Dezember 1997 kam es zum offenen Zerwürfnis über die Verlagerung der maroden Bezirkssportanlage "Pufendorfstr." in das Sanierungsgebiet Samariterviertel. Ehrenberg, der das Projekt für eine Luftnummer hält, warf seiner Fraktion vor, sich vor den Karren von zwei PDS-Stadträten spannen und von Zahlungszusagen eines Investors blenden, bzw. zu voreiligen Beschlüssen verleiten zu lassen. Er wurde daraufhin als baupolitischer Sprecher der Fraktion abgewählt und auch aus dem Bauausschuß zurückgezogen, womit laut Ehrenberg "der Bogen eindeutig überspannt wurde."

Ehrenberg, der noch Vorsitzender eines Zeitweiligen (Untersuchungs-) Ausschusses der BVV-Friedrichshain gegen die Baustadträtin war, mußte dann Anfang Februar gegen das Bezirksamt Friedrichshain gerichtlich vorgehen, um eine erneute Aktenvorlage zwecks Fertigstellung des Untersuchungsberichts zu erzwingen. Das Bezirksamt weigerte sich auf Betreiben der von der Untersuchung betroffenen Baustadträtin hartnäckig, die Akten zur Einsicht bereitzustellen, und beugte sich erst einem von Ehrenberg herbeigeführten Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin.

Der politische Schaden dieser Aktion traf eindeutig die PDS. Nichtsdestoweniger wurde Ehrenberg wiederum auch von seiner eigenen Fraktion heftig kritisiert. Es wurde ihm empfohlen, über sein Verhältnis zur Fraktion nachzudenken. Das ist geschehen, und das Ergebnis liegt nun vor.

SPD keine Partei der großen Städte mehr - verläßt demokratische Grundpositionen

Ehrenberg, der bereits Anfang der siebziger Jahre zu Willy Brandts Zeiten hauptamtlich für den SPD-Parteivorstand in Bonn als Referent tätig war, legt allerdings Wert darauf, daß die Friedrichshainer Fraktionsquerelen zwar ebenso symptomatisch wie auslösend für seinen Schritt waren, der eigentliche Grund jedoch tiefer liegt. Seit langem beklagt Ehrenberg eine - auch von politischen Konkurrenten wie dem CDU-Politiker Heiner Geißler bemerkte - "Verdörflichung" der SPD, die keine ausreichenden Antworten auf die Probleme der großen Städte mehr bereithält. "In den achtziger Jahren hat die SPD die ökologische und Friedensbewegung verschlafen und damit eine ganze Generation junger Menschen an die Grünen verloren. In den neunziger Jahren hat sie ebenso die Chancen und Herausforderungen der Wende im allgemeinen und der deutschen Vereinigung im besonderen versäumt und verspielt."

Der dramatischen Wiederauferstehung der sozialen Frage begegne die SPD im wesentlichen mit hohlen Phrasen und Modernisierungsgesäusel. Die kürzliche Zustimmung zur Grundgesetzänderung in Sachen "Großer Lauschangriff" hält Ehrenberg für katastrophal. "Dieser Fehler, über den die Mafia nur lachen kann, wird auch die Intellektuellen und Künstler weiter der SPD entfremden, soweit sie ihr nicht schon beim sogenannten Asylkompromiß wegen des Verlassens demokratischer Grundpositionen scharenweise davongelaufen sind."

"Natürlich wußte ich", so Ehrenberg, "daß zudem in Berlin Anspruch und Wirklichkeit der SPD besonders weit auseinanderklaffen. Die Partei ist hier völlig verkalkt und verfilzt. Im Osten hat sie ihre Vorschußlorbeeren verbraucht und ist unter dem Druck der sozialen Entwicklung längst von der PDS beerbt worden, die ihrerseits in der Praxis dem Wähleranspruch auch nicht gerecht wird."

SPD in Berliner Großer Koalition unerträglich

Aus der verheerenden Wahlniederlage von 1995 habe die SPD in Berlin nichts, bzw. eine ihrer Rolle völlig unangemessene "neoliberale Lektion" gelernt. Ehrenberg ist seit langem ein - auch öffentlich - scharfer Kritiker der nach 1995 fortgesetzten Großen Koalition in Berlin, die politisch verheerend wirke und - unter staatspolitischem Vorwand - nur dem Versorgungsdenken von Funktionären und Mandatsträgern diene. "Auch das habe ich gewußt, und man mag mir vorwerfen, daß ich erst jetzt meine - bescheidenen, wenn auch nicht irrelevanten - innerparteilichen Versuche, das zu ändern, für gescheitert erkläre."

Ehrenberg behält sein Mandat als Bezirksverordneter und schließt sich am 1. März der "Demokratischen Linken Liste" (DLL) an. Deren Fraktion wird bislang von zwei jungen Frauen gebildet, die aus Enttäuschung über unsoziale Politik und undemokratische Verhältnisse die PDS, bzw. deren Fraktion in Friedrichshain verlassen haben.